Genau das behaupten rund 200 frühere AgfaPhoto Mitarbeiter: Sie fühlen sich getäuscht und fordern Gehalt, Pensionszahlungen, Abfindungen und/oder Schadenersatz von ihrem früheren Arbeitgeber Agfa-Gevaert. Dieser hatte im November 2004 seinen später als AgfaPhoto firmierenden Fotobereich mit weltweit 2.900 Beschäftigten, davon 2.275 in Deutschland, an die AgfaPhoto Holding veräußert, die mehrheitlich dem Münchener Investor Dr. Harmut Emans gehört. Sieben Monate später im Mai 2005 beantragte die AgfaPhoto GmbH überraschend ein Involvenzverfahren, das mit der Abwicklung des Unternehmens und dem Verlust der Arbeitsplätze endete.
Im Zuge der Insolvenz haben rund 200 betroffene Arbeitnehmer dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die AgfaPhoto GmbH nachträglich widersprochen. Bekämen sie Recht, würde das Arbeitsverhältnis mit dem früheren Arbeitgeber wieder aufleben, der damit für Gehälter, Pensionen und gegebenenfalls Abfindungen aufzukommen hätte.
Agfa-Gevaert bestreitet jegliche Verpflichtung – bisher hätten die Arbeits- und Landesarbeitsgerichte den ehemaligen Mitarbeitern in den allermeisten Fällen jedoch Recht gegeben, wird in einer Pressemitteilung der Leverkusener Anwaltskanzlei Orlowski, Kaiser & Kollegen betont. Harald Kaiser, der viele der früheren Agfa-Mitarbeiter betreut und am 20. März in Erfurt drei der zu verhandelnden Fälle vertritt, sieht gute Chancen für einen Erfolg. „Es ist offensichtlich, dass Agfa-Gevaert seinerzeit ganz rigoros das Ziel verfolgt hat, den Fotobereich schnell loszuwerden“, betont der Fachanwalt für Arbeitsrecht. „Anstatt die betroffenen Mitarbeiter entsprechend den gesetzlichen Regeln wahrheitsgemäß und vollständig über die Folgen des Betriebsübergangs zu informieren, wurden sie unter Druck gesetzt. Desweiteren weiteren wurde ihnen eine finanziell solide abgesicherte Zukunft vorgetäuscht, während tatsächlich – wie in den Berichten der Insolvenzverwaltung nachzulesen – die AgfaPhoto GmbH wegen mangelnder Liquidität von Anfang an nicht lebensfähig war.“
In fünf der sechs Fälle, die nun beim Bundesarbeitsgericht verhandelt werden, haben die Mitarbeiter in den Vorinstanzen (4 Mal LAG Düsseldorf, je einmal LAG Köln und München) obsiegt.
Eine wesentliche Rolle spielt in einem Teil dieser Verfahren die Erfüllung von Frühruhestandsverträgen: Sie wurden im Rahmen einer sogenannten „55er Regelung“ noch mit dem früheren Arbeitgeber Agfa-Gevaert ausgehandelt und sehen Abfindungszahlungen in jeweils bis zu sechsstelliger Höhe vor. Die Kläger traten jedoch erst in den Ruhestand, nachdem ihre Arbeitsverhältnisse auf die nun insolvente AgfaPhoto übergegangen waren. Ohne einen rechtswirksamen Widerspruch gegen den Übergang der Vertragsverhältnisse müssten sie damit rechnen, ihre gesamte finanzielle Basis bis zum Eintritt in das reguläre Rentenalter zu verlieren.