PIV Branchentalk 2023 in Frankfurt/Main

Der Geschäftsführende Vorstand des PIV, Christian
Müller-Rieker, begrüßte mehr als 30 Gäste zum PIV Branchentalk 2023 in
Frankfurt/Main.

Nach dem Ende der Corona-­Krise ließ der Photo­industrie-­Verband (PIV) ­seine Branchen­talks in ­neuem Format wieder ­aufleben. Mehr als 30 Teilnehmer, darunter auch ­Vertreter des Fotohandels, nutzten die Gelegenheit, sich in einem halbtägigen Vortragsprogramm über das Thema „Zukunft Imaging gestalten“ zu informieren und unterein­ander auszutauschen.

Mit dem Branchentalk will der ­Photoindustrie-Verband eine regelmäßige Plattform schaffen, auf der in jedem Frühjahr Themen entlang der gesamten Wertschöpfungskette diskutiert werden. Das betonte der Geschäftsführende Vorstand, ­Christian Müller-Rieker, in seinen Begrüßungsworten. Dabei soll es nicht nur Informationen über ­aktuelle Trends geben, sondern auch die Gelegenheit zum Netzwerken und für persönliche Begegnungen.

Im ersten Vortrag des diesjährigen Branchentalks gab Eric Heymann, Director & Senior Economics, ­Deutsche Bank Research, einen ­Konjunktur-Ausblick auf das Jahr 2023. Dieser lässt sich mit den ­Worten zusammenfassen: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Deutschland sei trotz großer Sorgen um die Energieversorgung besser durch den Winter gekommen, als man erwarten konnte, erklärte ­Heymann. Und deshalb habe eine Rezession gerade noch vermieden werden können. Trotzdem bleibe das Umfeld angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine, die Energiewende und der Inflation herausfordernd. Nachdem die deutsche Wirtschaft sich jahrzehntelang dank ihrer vertikalen Wertschöpfungs­kette, die vor allem auf dem Bezug günstiger Energie beruhte, positiv entwickelt habe, seien nun struk­turelle Änderungen zu erwarten. Dazu kämen geopolitische Spannungen und der Zinsanstieg, der, so Heymann, sowohl die Kapitalkosten für die Wirtschaft als auch die Kosten der Verschuldung anderer EU-Staaten erhöhe. Die Unsicherheit über die Klima- und Energiepolitik der Bundesregierung führe zudem in energie-intensiven Branchen zu einer Verlagerung von Investitionen in andere Länder.

Obwohl der Jahresauftakt insgesamt besser als befürchtet verlaufen ist, sieht Heymann für die Wirtschaft nur ein geringes Potential, die dämpfenden Effekte der letzten Jahre aufzuholen.

An diesen wolkenverhangenen Ausblick knüpfte mit Professor Alexander Schönmann vom Bayerischen Foresight-Institut der Technischen Hochschule Ingolstadt ein Experte für Innovations- und Zukunftsmanagement an. „Die Zukunft ist ungewiss?“, griff Schönmann die Ausführungen des Deutsche Bank Ökonomen auf. „Dann lassen Sie uns doch die Chancen früh erkennen.“ Genau dazu diene „Corporate Foresight“, erklärte Schönmann. Um ihre Zukunft erfolgreich gestalten zu können, seien Unternehmen darauf angewiesen, Trends und Technologien frühzeitig zu erkennen und zu bewerten. Dafür sei professionelles Innovationsmanagement erforderlich. Es gehe darum, aufkeimende Technologien möglichst frühzeitig zu bewerten, ihr Potential zu erkennen und daraus innovative Produkte sowie zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dabei lohne es sich, strategisch vorzugehen, betonte Schönmann: „Unternehmen mit professionellem Foresight-Management schneiden erwiesenermaßen besser ab als andere.“

Chancen in der Krise

Prof. Alexander Schönmann vom Bayerischen Foresight-Institut der Technischen Hochschule Ingolstadt stellte die Vorteile professionellen Innovations- und Zukunftsmanagements dar.

Mit wichtigen Konsumenten-Trends im Markt für technische Gebrauchsgüter beschäftigte sich Haluk Özdemir, Client Success Manager, GfK Consumer Electronics & Photo Deutschland. Der Marktforscher, der sich seit vielen Jahren mit der Fotobranche beschäftigt, sieht trotz der seit 2020 anhaltenden Dauer­krise auch positive Entwicklungen. Diese könne man nutzen, wenn man frühzeitig erkenne, wie sich das Bewusstsein und die Wertsysteme der Konsumenten verändern, ­erklärte Özdemir. So führe z. B. die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit zu bewusstem Konsum, bei dem viel Wert auf Qualität gelegt werde. Das spiegelt sich auch in den aktuellen Zahlen des Kameramarkts wider, betonte Özdemir: So ist von März 2022 bis Februar 2023 der Absatz um 12 Prozent gesunken; Verkäufe von Kameramodellen unter 1.000 Euro nahmen in diesem Zeitraum um 16 Prozent ab, während in der Preisklasse über 1.000 Euro 4 Prozent mehr verkauft wurde als im Vorjahreszeitraum. Dabei nahm der Umsatz mit den hochwertigen Kameramodellen sogar um 10 Prozent zu. Diese Zahlen sind für den Fachhandel besonders erfreulich, weil er in diesem Marktsegment einen Marktanteil von 83 Prozent errungen hat.

Um Trends zu erkennen, lohne sich auch der Blick über die eigenen Marktsegmente hinaus, betonte Özdemir. So seien die Effekte der Inflation bei Gütern des täglichen Bedarfs und bei Lebensmitteln sehr viel stärker zu spüren als bei technischen Konsumgütern. 60 Prozent der von der GfK befragten Konsumenten sagten z. B., die höheren Preise in diesen Segmenten wirkten sich auf ihr Einkaufsverhalten aus. Viele Menschen sind preisbewusster geworden, kaufen öfter beim Discounter, greifen häufiger zu Handelsmarken, achten auf Angebote und verzichten auch einmal. Trotzdem lässt sich auch in diesem Szenario ein Trend zu personalisierten Produkten, der Wunsch nach Vernetzung und eine steigende Neigung zu sozialer Verantwortung beobachten.

Fotoprodukte, so Özdemir, reflektieren viele der wichtigen Trends. Sie sind personalisiert, dienen dem Ausdruck der Individualität, z. B. auf Reisen, und würden immer häufiger dazu genutzt, mit Freunden zu kommunizieren und die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen zu unterstreichen. 

Umdenken im Handel

Haluk Özdemir, Client Success Manager, GfK Consumer
Electronics & Photo Deutschland, zeigte auch langfris­tige Entwicklungen auf dem Fotomarkt auf.

Obwohl die Zahl der anwesenden Vertreter des Fotohandels eher gering war, hatte der PIV das ­Thema Omnichannel auf die Tagesordnung gesetzt. Linda Kuhr, Mitgründerin und Geschäftsführerin der OC fulfillment GmbH, sprach über nachhaltige Geschäftsstrategien zur Erhöhung der Kundenloyalität. Das von Kuhr mitgegründete Unternehmen hat seinen Ursprung in der Rewe Gruppe und wurde später separiert.

Ein Online-Shop allein, so Kuhr, reiche längst nicht mehr als Differenzierungsmerkmal für Einzelhändler. Vielmehr komme es darauf an, den Kunden über alle Kanäle hinweg ein nahtloses Einkaufserlebnis zu bieten. Dazu gehören Transparenz bei Preisen, Verfügbarkeit und Lieferzeit ebenso wie die Personalisierung des Kaufprozesses. Die Abwicklung eines Einkaufs, so Kuhr, habe sich nicht nach den technischen Möglichkeiten, sondern nach den Vorlieben der Kunden zu richten. Dabei müsse hinter allen Angeboten eine leistungsfähige Logistik stehen, denn wer sich heute für ein hochwertiges Produkt entscheide, wolle es auch möglichst rasch haben. Deshalb sei es wichtig, im Internet nicht nur über die Verfügbarkeit und die Lieferzeiten des Webshops zu informieren, sondern auch darüber, ob das Produkt in einer naheliegenden Filiale sofort mitgenommen werden könne. Die intelligente Verzahnung der verschiedenen Plattformen lohne sich, betonte Kuhr: Omnichannel-Kunden, die sich auf allen Plattformen bewegen, geben im Einzelhandel durchschnittlich 27 Prozent mehr aus als solche, die sich nur auf einen Kanal konzentrieren.

Generative KI und ihre Folgen

Sven Doelle, Principal Manager Outreach und Principal Technology Evangelist bei ­
Adobe, sprach über die Grundlagen Generativer KI.

Im letzten Vortrag ging es um das derzeit so viel diskutierte Thema Generative Künstliche Intelligenz. Sven Doelle, Principal Manager Outreach und Principal Technology Evangelist bei Adobe, griff weniger in die aktuelle Diskussion ein, sondern zeigte vielmehr grundlegende Fakten auf. So beschrieb er die verschiedenen Formen künstlicher Intelligenz, die so neu gar nicht ist, denn die erste Definition der für KI eingesetzten neuralen Netzwerke stammt aus dem Jahr 1943. Das Thema ­konnte allerdings jahrzehntelang nicht wirklich verfolgt werden, weil die dafür nötige Rechenleistung schlichtweg nicht vorhanden war.

Unter Generativer AI versteht man die Fähigkeit digitaler Systeme, Texte, Bilder, Videos oder Musik zu erzeugen. Auch Adobe nutzt solche Technologien, vor allem für die Verbesserung von Bildern. Dabei habe sich das Unternehmen, so Doelle, von Anfang an darum bemüht, ethische Prinzipien zu entwickeln und zu beachten.

Ist nun Generative KI eine Konkurrenz zur Fotografie? Nicht unbedingt, sagte Doelle. Sie sei vor allem ein anderer kreativer Weg. So habe im 19. Jahrhundert die Fotografie damit begonnen, der Malerei in bestimmten Sujets Konkurrenz zu machen, aber bis heute habe Fotografie die Malerei nicht ersetzt. So könne Generative KI zwar bestimmte Bilder erzeugen, aber menschliche Kreativität nicht ersetzen, betonte Doelle.

Das kompakte Konferenzformat des PIV Branchentalks und die guten Netzwerkmöglichkeiten kamen beim Auditorium gut an. Zum Abschluss des Tages konnten die Eindrücke aus den Vorträgen bei einem Essen auf Einladung der Photopia Hamburg noch weiter vertieft werden.